1.                                                  Das Pfandtagebuch

Moderator

In unserer Reihe „Schicksale unserer Zeit“ liest heute Volker Herzleben aus den Tagebuch-aufzeichnungen von Waldemar Schrunz, die dessen Erlebnisse während einer Reise in den ersten Tagen dieses Jahres widerspiegeln.

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Sprecher2 mit Hall

3. Januar 4 Uhr

 1 Sekunde

Sprecher1

In aller Frühe geht es heute los. Endlich Winterurlaub! Kevin sitzt bei mir vorne, Magda mit den beiden Mädchen hinten. Gut, dass wir einen Kombi haben mit den ganzen Ski-Klamotten und dem Rodelzeug ist der Wagen proppevoll. Essen und Trinken müssen wir unterwegs besorgen.

 17 Sekunden

Sprecher2 mit Hall

3. Januar 5.30 Uhr

 1 Sekunde

Sprecher1

Erste Rast, nur kurz Kaffee getrunken und Getränke für die Fahrt gekauft. Seit vorgestern gilt das neue Pfandgesetz, daran wird man sich schon gewöhnen.

 10 Sekunden

Sprecher2 mit Hall

3. Januar 6.30 Uhr

 1 Sekunde


Sprecher1

Der Idiot an der Tanke wollte die leere Mineralwasserflasche nicht annehmen. Angeblich habe ich

nicht die passende Pfandmarke. Ab jetzt wird gesammelt und sortiert.

 10 Sekunden

Sprecher2 mit Hall

3. Januar 9.00 Uhr

 1 Sekunde

Sprecher1

Zwischenstopp im Autohof. Erstaunlich, was drei Kinder so trinken. Die gleiche Menge Cola kostet je nach Flasche mal 15 und mal 25 Cent Pfand. Dafür kostet der Tee in Dosen überhaupt kein Pfand. Verstehe einer die Politiker. Kevin sortiert die Pfandmarken.

 16 Sekunden

Sprecher2 mit Hall

3. Januar 12 Uhr

 1 Sekunde

Sprecher1

Bei Minimal in Düsseldorf gibt es blaue Plastikchips für Flaschen unter 1,5 Liter und rote Chips für große Flaschen. Bei Penny unterschreibt der Kassierer auf dem Kassenbon und der Leiter vom Edeka-Markt druckt seine Pfandmarken mit einem Visitenkartendruckprogramm auf seinem Rechner selbst. Ich habe mir das mal von ihm zeigen lassen, sehr interessant. Magda und die Kinder waren sauer, weil sie eine Stunde auf dem Parkplatz gewartet haben. Dabei heißt es doch immer: Reisen bildet.

 30 Sekunden

Sprecher2 mit Hall

3. Januar 15.30 Uhr

 1 Sekunde

Sprecher1

Ich hätte Kevin nicht so anschreien sollen, nur weil er die Pfandmarken gemischt hat. Immerhin haben wir die Zuordnung  dank des Tagebuches wieder einigermaßen rekonstruieren können. So eine einstündige Pause kann ja auch ganz erholsam sein.

 15 Sekunden

Sprecher2 mit Hall

3. Januar 18 Uhr

 1 Sekunde

Sprecher1

Wir liegen weit hinter dem Zeitplan. Dafür hatte ich einen genialen Einfall: In Bad Homburg habe ich eine Polaroid-Kamera gekauft. Jetzt machen wir von jedem Laden und von den Pfandmarken jeweils ein Foto. Ort, Zeit und Kennziffer auf die Rückseite und fertig ist das Sortiersystem. Magda und die Kinder zeigen sich zunehmend gereizt.

 21 Sekunden

Sprecher2 mit Hall

3. Januar 22 Uhr

 1 Sekunde


Sprecher1

Habe kurz vor acht in einem Baumarkt in Aschaffenburg Plastikrohre, eine Säge und Klebeetiketten gekauft. Jetzt habe ich ein wunderbares Leergutsortiersystem für den Kofferraum gebaut. Mit den Aufklebern und den Kennziffern auf den Polaroids kann ich jede Flasche in Sekundenschnelle dem Kaufort zuordnen. Auf der Rückfahrt werden Magda und die Kinder mir dankbar sein. Auch wenn wir die Schlitten auf dem Rastplatz zurücklassen mussten. Wenn die Kinder älter sind, werden sie mich verstehen.

 31 Sekunden

Sprecher2 mit Hall

4. Januar 7 Uhr

 1 Sekunde

Sprecher1

Am Bahnhofskiosk in Erlangen gibt es keine Pfandmarken. Stattdessen werden die Fingerabdrücke des Käufers erfasst. Ich weiß nicht, ob das datenschutztechnisch erlaubt ist. Magda und die Kinder haben den Zug nachhause genommen. Ich schaue mir noch ein paar Getränkemärkte im Münchner Raum an und fahre dann zurück. Die Aufteilung mit dem Leergut im Kombi und den vollen Flaschen im neuen Anhänger macht sich sehr gut. Allerdings werde ich das Zeug wohl in den Gully schütten müssen, wenn ich das ganze Leergut auf dem Rückweg loswerden will.

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Moderator

Hier enden die Tagebuch-aufzeichnungen von Waldemar Schrunz. Wie sie vielleicht der Tagespresse entnommen haben, erlitt er einen tragischen Unfall, als er versuchte die A7 an der Raststätte Hasselberg zu Fuß zu überqueren, um zwei leere Cola-Flaschen abzugeben, die er auf dem Weg nach Süden auf der anderen Straßenseite erworben hatte. Waldemar Schrunz befindet sich wieder auf dem Weg der Besserung, verlor bei dem Unfall aber beide Pfandmarken.

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